Vor 75 Jahren: 23. März 1933

Veröffentlicht am 23.03.2008 in Service

Das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Staat (Ermächtigungsgesetz) wird mit der erforderlichen verfassungsändernden Mehrheit (441: 94 Stimmen) beschlossen. Das Recht zur Gesetzgebung hat nun auch die Regierung.
Nur die SPD stimmt dagegen; deren Vorsitzender Otto Wels hält die letzte freie Rede im Reichstag.
Die KPD kann an der Sitzung des Reichstags nicht teilnehmen, ebenso mehrere SPD-Abgeordnete, weil die Gewählten schon vorher verhaftet wurden. Julius Leber und Karl Severing werden auf dem Weg vom Fraktionszimmer im Reichstagsgebäude zur Krolloper verhaftet; Karl Severing vor Beginn der Sitzung wieder freigelassen.
Die Zustimmung des Zentrums ist durch mündliche Versprechungen in kulturellen und religiösen Fragen erreicht worden. In einer Fraktionssitzung in der Sitzungspause des Reichstags gibt es eine Probeabstimmung, in der mehrere Abgeordnete mit Nein votieren. Man verständigt sich aber darauf, dass man gemeinsam mit der Mehrheit abstimmt.
Während der Sitzung ist die Krolloper, in der der Reichstag tagt, von SA und SS abgeriegelt. Die Nationalsozialisten nehmen im Braunhemd an der Sitzung teil.
SA-Leute umstellen bewaffnet während der Sitzung die SPD-Fraktion.
Reichstagspräsident Göring empfiehlt der SPD über einen Mittelsmann, die Krolloper nach den Abstimmungen nicht sofort zu verlassen, sondern aus Sicherheitsgründen einige Zeit zu warten. Die Sozialdemokraten sehen im Warten die größere Gefahr für Unversehrtheit und Leben und verlassen die Krolloper gleichzeitig mit den anderen Abgeordneten.

Der Großindustrielle Fritz Thyssen fordert den Anschluss des Reichsbundes deutsche Industrie an die nationalsozialistische Bewegung.

In einer Presseveröffentlichung stellt der Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens das Deutsch-Sein der Juden in den Mittelpunkt.

Das Präsidium des Reichsverbandes der Deutschen Industrie kommt zu der einmütigen Auffassung, dass durch die Wahlen die Grundlage für ein stabiles Regierungsfundament geschaffen und damit die Störungen beseitigt sind, die sich aus den ständigen politischen Schwankungen der Vergangenheit ergeben und die wirtschaftliche Initiative stark gelähmt haben. Für den notwendigen tatkräftigen Wiederaufbau komme es darauf an, die Sammlung und Mitwirkung aller aufbauwilligen Kräfte herbeizuführen. Die deutsche Industrie, die sich als einen wichtigen und unentbehrlichen Faktor für den nationalen Aufbau betrachtet, sei bereit, an dieser Aufgabe tatkräftig mitzuwirken, und der Reichsverband der Deutschen Industrie - als ihre wirtschaftspolitische Vertretung - werde alles tun, um der Reichsregierung bei ihrem schweren Werke zu helfen.
Die Vereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände begrüßt in einer Erklärung das Bekenntnis der Regierung zum sozialen Frieden und zur Beseitigung des die Volksgemeinschaft zerreißenden Klassenkampfes. Sie stellt sich der Regierung mit allen ihren Kräften zur Mitarbeit an dem Ziel zur Verfügung, durch harmonische Zusammenarbeit der Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine neue Kraftquelle zur Wiederaufrichtung von Volk und Wirtschaft zu erschließen.

Die Wohnung des sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Richard Lipinski wird durchsucht.

Dokumente:
Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich
Adolf Hitlers Rede zur Einbringung des Gesetzes
Otto Wels’ Rede zur Ablehnung des Ermächtigungsgesetzes durch die SPD
Adolf Hitlers Rede zur Erwiderung auf Otto Wels
Die Rede des Vorsitzenden des Zentrums, Ludwig Kaas, zur Begründung der Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz
Abstimmungslisten aus dem Sitzungsprotokoll
Bericht von Carl Severing aus dem Jahr 1950
Bericht von Wilhelm Hoegner aus dem Jahr 1959
Bericht von Josef Felder aus dem Jahr 1982
Völkischer Beobachter über den 23. März
Bild von Otto Wels als Redner (nicht am 23.3.33)

 

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